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Das Alte Warteck
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Riehenring 63/65lageplan

Tramstation Messeplatz


Bierbrauer Merian-Seeber

Niklaus Emanuel Merian-Seeber (1828-1872) war das Brauwesen in die Wiege gelegt worden. Er kam zur Welt als Sohn des Basler Ratsherrn Emanuel Merian-Falkner (1795-1856), der stadtbekannt als "Käsmerian" war. Dieser hatte in den 1820er Jahren die Liegenschaft "zum oberen Känel" (heute Leonhardsberg 1) übernommen und dort eine Brauerei mit Gaststube eingerichtet. Sein Spitzname rührte daher, dass man bei ihm für 25 Rappen ein Glas Bier und ein grosses Stück Käse mit Brot bekommen habe.
[1]

In den Fusstapfen des Vaters erwarb Niklaus Emanuel im März 1856 das Haus "zum Weitnau" (Greifengasse 7, abgebrochen 1928) um es für sein Restaurant umzubauen.
[2] Das Bier für den Ausschank bezog er damals noch aus der Riehener Brauerei seines Bruders Benjamin Merian-Hänsler (1832-1863). Die Bierquelle zog allerdings Ungemach nach sich, denn der gute Geschäftsgang an der Greifengasse entging Benjamin nicht. Dieser kaufte zusammen mit einem Partner ein Haus in der Nachbarschaft.

Veräussert wurde die betreffende Liegenschaft durch die Kleinbasler Ehrengesellschaft zum Greifen, die in diesem Haus "zum Greifen" (Greifengasse 31, abgebrochen 1928) seit dem 15. Jahrhundert ihren Sitz hatte. Nach dem Auszug einer im Erdgeschoss eingemieteten Apotheke 1857 konnte die Gesellschaft ihr altehrwürdiges Haus nicht länger halten. Sie verkaufte es im Jahr 1858 notgedrungen an Benjamin Merian-Hänsler und seinen Geschäftspartner. Diese richteten darin ein Wirtshaus ein.
[3]

Der Lokalhistoriker Gustav Adolf Wanner (1911-1984) hielt in seiner Firmengeschichte der Brauerei Warteck 1956 dazu fest, dass diese florierende Gaststube seines Bruders für Merian-Seeber Anlass zum Umzug an die Bahnhofstrasse (heute Riehenring) gewesen sei. Um der Konkurrenz zu entgehen und neues Terrain zu erschliessen, habe er dort Bauland erworben. 1856 sei, direkt gegenüber den neu errichteten Badischen Bahnhof, eine Brauerei mit Gaststube unter dem Namen "Warteck" erbaut worden.
[4]

liegenschaften riehenring 63 und 65

Das Ensemble Riehenring 63 (Eckhaus) und 65. Es entstand auf dem 1860 erworbenen Baugrund gegenüber dem alten Badischen Bahnhof. Während im Eckhaus die Gaststube lag, diente das Nachbarhaus ursprünglich als Brauerei. In beiden Häusern gab es Wohnräume für das Personal in den oberen Geschossen.

Das falsche Baujahr 1856

Mit obigen Aussagen zementierte Wanner eine unhaltbare Gründungslegende. Bereits 2005 hielt ein diesbezügliches erweitertes Inventar der Basler Denkmalpflege fest, dass der Bau der heutigen Liegenschaft Riehenring 63/65 gemäss Unterlagen der Baupolizei frühestens 1861 erfolgt sein kann.
[5] Vom 13. März dieses Jahres stammt das Baubegehren. 2009 fügte der Basler Gastronom Mario Nanni (geboren 1950) in seinem Werk zur Geschichte der Basler Brauereien ein weiteres Beweisstück hinzu.

Nanni zitiert die Kaufpublikation des Baugrunds vom September 1860 aus dem Basler Kantonsblatt. Sie besagt dass Emanuel Bürgy, Maria VonderMühll-Bürgy und Lorenz Pol-Bürgy ein Stück Land von 75 Ruthen und 15 Fuss beim Badischen Bahnhof im Riehen Stadtbann an Emanuel Merian-Seeber verkauften.
[6] Es ist also belegbar, dass Wanner sich irrte als er festhielt dass die Merians Liegenschaft 1856 erbaut wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren weder der Baugrund gekauft noch der Bau beantragt.

Zugleich widersprach Wanner sich selbst, als er die rivalisierende Brauerei von Merians Bruder im Greifen als ein Grund für den Umzug zum Bahnhof anführte. Die angesprochene Konkurrenzsituation konnte sich nämlich erst ergeben haben, nachdem die Gesellschaft zum Greifen diese Liegenschaft an Benjamin Merian-Hänsler und Partner 1858 verkauft hatte. Innerhalb von Wanners Argumentation wäre folglich ein Bau am Bahnhof 1856, zwei Jahre vor diesem Verkauf, eigentlich schlicht unlogisch.

Es ist schwer nachvollziehbar, wieso dem verdienstvollen Lokalhistoriker Wanner diese Fehler unterliefen. Dazu kommt dass er einem weiteren Irrtum aufsass. Der für 1855 erbaut erwähnte Bahnhof der Grossherzoglich Badischen Staatseisenbahnen existierte damals noch gar nicht in der geschilderten Form "mit schlankem Mitteltürmchen". Erst 1859/62 ersetzte der Karlsruher Architekten Karl Joseph Berckmüller mit dem Bau dieses neuen Bahnhofs ein provisorisches Holzgebäude von 1855.
[7]

Vielleicht war Wanner dazu verdammt, die Firmengeschichte der Brauerei in den Pfaden einer liebgewonnenen und versteinerten Legende zu schreiben, auch wenn diese ein Irrweg waren. Fest stehen die genannten Fakten. Ihnen gemäss kaufte Niklaus Emanuel Merian-Seeber 1860 den Baugrund um ab 1861 darauf seine Brauerei mit Gaststube bauen zu lassen. Zur selben Zeit wurde vis à vis das Bahnhofsgebäude Berckmüllers erstellt. Lange wurden diese Vorgänge irrtümlich in den Jahren 1855/56 angesiedelt.

wirtshausschild warteck 1856

Das Wirtshausschild des Alten Warteck an der Clarastrasse. Die Vereinigung von Jahreszahl und Name suggeriert im Zusammenhang mit der Liegenschaft eine Einheit die es so nie gegeben hat. Erst im März 1862 wurden hier Brauerei und Gaststube Warteck eröffnet.

Anfänge und Namensursprung der Brauerei

Auch wenn das Baujahr der neuen Brauerei falsch gedeutet ist, ist Wanners Vermutung zu den Motiven des Umzugs schlüssig. Merian-Seeber hatte wahrscheinlich erkannt, dass für zwei gutlaufende Bierstuben kein Raum an der Greifengasse war. Zudem hat es ihm sicher nicht behagt, von den Bierlieferungen seines Bruders abhängig zu sein, der zugleich sein Konkurrent geworden war. Der Schritt zu einer eigenen Brauerei an einem neuen Standort lag nahe. Und der Platz war geschickt gewählt.

Die Wahl des Baulandes vor Kleinbasels Toren war wegen des neuen Bahnhofs günstig. Die im Februar 1855 eröffnete Linie Waldshut-Basel mit ihrer Kopfstation beim Rosental versprach neue Kundschaft. Zugleich war die Stadt dabei über die mittelalterlichen Stadtmauern herauszuwachsen, wodurch Aussenquartiere mit weiterer Kundschaft entstanden. Das war Merian-Seeber dann auch den damals hohen Preis von fünfeinhalb Franken pro Quadratmeter Baugrund wert.
[8] Der Platz versprach Umsatz.

Der heutige Riehenring trug damals noch den Namen "Bahnhofstrasse". An ihr baute Karl Joseph Berckmüller seit 1859 seinen Bahnhof. Wenig später kaufte Merian-Seeber den Baugrund gegenüber und liess seine Brauerei mit Gaststube erbauen, die im gleichen Jahr wie der Bahnhof vollendet wurde. Am 16. März 1862 wurde an der Ecke wo Clarastrasse und Bahnhofstrasse aufeinandertreffen die neue Brauerei mit Wirtschaft eröffnet. Dies wäre das korrekte "Geburtsdatum" der Brauerei Warteck.

Die Herkunft des Namens "Warteck" wird unterschiedlich gedeutet. Wanner bringt ihn zum Beispiel als "Wart-Eck" mit dem Eisenbahnverkehr des Bahnhofs und seiner wartenden Passagiere in Verbindung.
[9] Nanni sieht einen Zusammenhang zwischen der nahen Kutschenstation und der Tramhaltestelle (Pferdetram, denn die erste elektrische Tramlinie führte erst ab Mai 1895 zum Bahnhof). [10] Speziell der Warteplatz der Droschken vor der Eckliegenschaft wurde auch als Ursprung genannt. [11]

Die Architektenfrage

Nicht definitiv belegbar ist mangels Unterlagen die Frage welcher Architekt die Liegenschaft erbaut hat. Daher müssen Indizien zur Beurteilung dienen. Als Architekt wird traditionell Stadtbaumeister Amadeus Merian (1808-1889) genannt. Für ihn spricht zum einen die Tatsache dass er der Onkel des Bauherrn war. Verwandtschaftliche Beziehungen spielten in der Bierbrauerfamilie belegbarerweise eine wichtige Rolle. So wäre es nicht abwägig, dass der Bruder des Vaters die Liegenschaft entwarf.

Die Liegenschaft Warteck weist ferner bei Gliederung und Bauschmuck Gemeinsamkeiten mit dem Café Spitz an der Rheinbrücke, dem Sesselschulhaus am Totengässlein und dem Hotel Trois Rois am Blumenrain auf, die ins Auge fallen.
[12] Sie alle, aus der Zeit zwischen 1838 und 1860, stammen von Amadeus Merian. Er war wegen Differenzen zum Universitätumbau am Rheinsprung 1859 im Zorn aus dem Amt geschieden, und zur Zeit des Baus des Warteck im Jahr 1861 nicht mehr Baumeister der Stadt.

Gegen Merian als Architekten des Warteck sprechen vordergründig seine Aussagen zum Bauwerk in seinen 1902 erschienenen Memoiren. Namentlich äusserte er sich unzufrieden mit der Lage des Brauhauses, welches neben der Wirtschaft an der Ecke und direkt gegenüber dem Bahnhof zu stehen kam:

"Ich hätte das Bräuhaus nicht an die präsentabelste Front gegen den Bahnhofplatz, sondern hinten in den Hof verlegt."
[13]

Allerdings spricht diese Bemerkung nicht für oder gegen seine Beteiligung als Architekt. Waren die Pläne nicht von ihm, dann hat er damit nur seinen Kommentar zu der Liegenschaft seines Neffen abgegeben. War er der Architekt, kann die Äusserung wiederum das Zeichen einer eventuellen Frustration über seinen mangelnden Einfluss bei der Gestaltung sein. Es ist denkbar dass sein entschlossener Neffe für den Bau seiner Brauerei Vorgaben machte, die dem Onkel als Architekten zuwider waren.

blick auf das alte warteck 2006

Diese Ansicht aus dem Jahr 2006 zeigt jene Ecke wo Riehenring und Clarastrasse bei der Wirtschaft aufeinandertreffen. Einer Tradition gemäss soll unter anderem der einstige Warteplatz der Pferdedroschken an dieser Stelle den Namen "Wart-Eck" geprägt haben.

Brauerei und Wirtschaft Warteck

Die Kombination aus Wirtschaft und Brauerei gab Niklaus Emanuel Merian-Seeber zum einen die Möglichkeit weiterhin eine Gaststube für den Bierausschank zu betreiben. Zugleich konnte er nun sein eigenes Bier brauen, und war nicht länger von seinem Bruder Benjamin als Bierlieferant abhängig. Der Eckbau (heute Riehenring 63) beherbergte gleichermassen die Wirtschaft wie auch einige Wohnungen. Im Haus daneben (heute Riehenring 65) war des Brauhaus mit weiteren Wohnungen untergebracht.

Die Häuser, heute Riehenring 67 bis 71, und das mittlerweile veränderte Eckhaus Riehenring 75, bildeten zusammen mit Merians Warteck einst einen harmonischen Strassenzug. Seine Gebäude entstanden zwischen 1859 und 1862. Historische Ansichten zeigen eine Fassadenfront, die mit den beiden Baureihen davor und dem Bahnhof vis à vis das Flair einer Metropole besitzen. Kleinbasel atmete hier den Esprit einer neuen Zeit, der bis heute noch am Eckgebäude (Altes) Warteck und den überlebenden Nachbarhäusern zu spüren ist.

Trotz der mit Umsicht gewählten Lage war der Geschäftsgang des Warteck mit den Jahren eher mässig. Dies änderte sich als Bernhard Füglistaller-Sprenger (1841-1931) und seine Gattin Jeanette im Jahr 1869 Brauerei und Wirtschaft von Merian-Seeber pachteten. Bernhard stammte aus dem aargauischen Jonen und hatte seine Brauerlehre in der Brauerei von Friedrich Merian-Brandmüller (1811-1866) an der Steinentorstrasse absolviert. Das Examen zum Braumeister machte er auf Wanderschaft in Bayern.

Nach seiner Rückkehr arbeitete er für einige Zeit wieder in der Brauerei in der er seine Lehre gemacht hatte. Der Mangel an Perspektiven trieb Füglistaller zur Selbständigkeit. Nachdem er und Jeanette geheiratet hatten, pachteten sie für 12'000 Franken pro Jahr das Warteck beim Badischen Bahnhof. Der von ihnen geführte Betrieb war erfolgreich. Schliesslich kauften sie 1869 von Merian-Seeber Brauerei und Wirtschaft mit Hilfe einer zweiten Hypothek von 62'000 Franken von der Handwerkerbank.
[14]

Bereits im ersten Jahr als Eigentümer liess Füglistaller die Liegenschaft ausbauen. An der Clarastrasse entstand in der Folge eine Trinkhalle die vom Strassenverkehr durch eine Mauer abgeschirmt war, sich aber gegen hinten mit einer Konstruktion aus Gusseisensäulen öffnete. Im Jahr 1871 wurde ein Kesselhaus errichtet, dem 1876 der Bau eines Flügelgebäudes mit Eisschopf folgte. Drei Jahre später kam ein Stall hinzu, und 1882 liess Füglistaller auf einem nahen Grundstück eine Kegelbahn errichten.
[15]


Arbeiten im Warteck

Füglistallers Betrieb florierte. In der Wirtschaft halfen sein Sohn Bernhard dessen jüngerer Bruder Carl bereits in Knabenjahren ihrer Mutter. An den Sonntagen, wenn nach den Ausflügen die Sonntagsbummler im Warteck einkehrten, seien die Buben oft zwischen 16.00 und 17.00 Uhr beinahe ununterbrochen an den Zapfhahnen gestanden. Wochentags bekamen die Jungen nach Schulschluss häufig ein Glas Bier und ein Stück Brot aufgetischt. Das väterliche Werk wurde ihnen wie Muttermilch eingeflösst.
[16]

Aus dem Jahr 1884 ist eine "Dienst- und Hausordnung" überliefert, die zeigt unter welchen Bedingungen die Angestellten in der Brauerei Warteck arbeiteten. Sie verlangte dass den wichtigsten Vorgesetzten, dem Braumeister, dem Biersieder, dem ersten Mälzer und dem ersten Kellerburschen bedingungslos zu gehorchen war. Die Angestellten waren zu "höflichem und gefälligem Benehmen gegen die Kundschaft" verpflichtet. Wer mehrfach zu Klagen Anlass gab, musste mit fristloser Kündigung rechnen.

Gefordert wurde von den Angestellten ein "anständiger, friedlicher und sparsamer" Lebenswandel. Die Hausordnung ging soweit, dass sie vorschrieb dass um 22.00 Uhr alle im Unternehmen wohnende Angestellten im Hause respektive im Bett zu sein hatten. Der Lohn wurde gemäss Arbeitsleistung vereinbart. Burschen und Bierführer waren mit 3000.- und einem Taggeld von Franken 3.- gegen Unfall auf Kosten des Unternehmers versichert. Bei Kündigungen war im Allgemeinen eine Frist von 14 Tage üblich.

Zum monatlichen Beitrag von Franken 1.- waren alle Angestellten bei der Allgemeinen Krankenpflege eingetragen. Viele Angestellte lebten auch in den Wohnungen der Brauerei am Riehenring. Im Haus wurde man auch mit Frühstück, Mittag-, Abend- und Nachtessen versorgt. Wer sich mit dieser Praxis nicht anfreunden konnte, wurde vom gemeinsamen Essen ausgeschlossen und musste sich mit einer finanziellen Entschädigung auswärts verpflegen. Auf Trunkenheit bei der Arbeit stand fristlose Kündigung.
[17]

liegenschaft steinentorstrasse 23

Die Liegenschaft Steinentorstrasse 23 (1908 zu heutigem Aussehen umgebaut) war im 19. Jahrhundert Sitz der Bierbrauerei von Friedrich Merian-Brandmüller. Hier absolvierte Bernhard Füglistaller-Sprenger, später Patron im Warteck und Brauereibesitzer, seine Lehre als Bierbrauer.

Anfänge am Burgweg

Bernhard Füglistaller und seine Gattin Jeanette verstanden es, das Warteck erfolgreich zu führen. Das Bier soll zuweilen sogar so gut abgesetzt worden sein, dass bei der eigenen Wirtsstube Engpässe entstanden. Zugleich genügten die Keller im Warteck nicht länger zur Aufnahme der steigenden Produktion. Die damalige Kühltechnik benötigte unterirdische Keller, und für solche war kein weiterer Platz mehr an der Clarastrasse. Füglistaller fand jedoch ein geeignetes Gelände für neue Keller am nahen Burgweg.

Dort liess er 1872/73 drei tief gelegene Lagerkeller nach dem damals neusten Stand der Erkenntnisse anlegen. Diese Keller benannte man als "der Einer", "der Zweier" und "der Dreier". Den durch die Auslagerung der Keller gewonnenen Raum im Warteck nutzte Füglistaller zum Ausbau des Sudhauses und der Mälzerei.
[18] Damit war der Grundstein für den späteren Standort der Brauerei gelegt. Das Warteck am Bahnhof erfuhr durch den Erwerb neuen Baugrunds weitere Umgestaltungen.

Die sich fortwährend verändernde Liegenschaft wurde schliesslich im Jahr 1888 tiefgehend neu geordnet. 1887/88 entstand an der Clarastrasse nach Entwürfen des Basler Architekten Gustav Kelterborn (1841-1908) direkt über einem bestehenden Malzkeller eine neue Bier- und Konzerthalle.
[19] Im Jahr 1889 erreichte die Expansion mit der Gründung der "Aktiengesellschaft Bierbrauerei Warteck B. Füglistaller Nachfolger" eine neue Stufe. 1890/91 zog die Brauerei aus dem Warteck an den Burgweg.


Das "Alte Warteck"

Am Burgweg sollte in einem fortwährend wachsenden Brauereikomplex das Warteck-Bier gebraut werden, bis im Jahr 1990 die Produktion dort eingestellt wurde. Im ausgehenden 19. Jahrhundert stand der Bahnhof am Riehenring der Entwicklung der Stadt im Weg. Er musste weiter an die Peripherie verlegt; so entstand an der heutigen Schwarzwaldallee der 1913 eröffnete neue Badische Bahnhof nach einem Entwurf Karl Mosers (1860-1936). Damit kam die Stunde einer neuen Warteck-Filiale.

So wie Merian-Seebers Warteck 1862 gegenüber dem alten Bahnhof eröffnete, wurde vom Unternehmen 1912/14 an der Schwarzwaldallee 183, vis à vis dem neuen Badischen Bahnhof, ein neues Restaurant eingerichtet. Es trug sinnigerweise den Namen "Neues Warteck".
[20] Damit fiel dem Stammhaus, wo anstelle des alten Bahnhofs bald die Mustermesse entstehen sollte, der Titel "Altes Warteck" zu. Die alte Adresse "Bahnhofstrasse" war bereits 1904 mit dem neuen Namen "Riehenring" bedacht worden.

Das bekannte Restaurant an der Ecke zur Clarastrasse wurde im Jahr 1941 tiefgreifend umgestaltet. Der alte Einbau wurde entfernt und durch ein Interieur in der sachlichen Linie des sogenannten "Landistils" ersetzt. Das Architekturbüro Suter & Burckhardt gab der Wirtschaft ein neues Gesicht. In die hohen Räumlichkeiten, bislang geprägt von schlanken Eisensäulen, wurde eine tiefer hängende Holzdecke eingezogen. Die alten Decken mit ihren Stuckprofilen verschwanden darunter.

Die Säulen selbst wurden mit einer Umhüllung aus Holz versehen, und setzten fortan als wuchtige Holzsäulen Akzente in den umgestalteten Räumlichkeiten. Die Wände säumte eine zweidrittelhohe Täferung aus lackiertem Nadelholz. Ein Kachelofen und geschmiedete Lampen betonten den rustikalen Einschlag der Neugestaltung.
[21] Ausstattung gibt den Geist der Kriegsjahre wieder. Damals griff man bewusst auf einheimische Materialien und funktionale Gestaltung zurück, was den Landistil prägte.

wirtshausschild warteck 1856

Die Fassade zur Clarastrasse hin, wo ursprünglich eine Trinkhalle an den Eckbau anschloss, die 1887/88 durch einen Malzkeller mit neuer Bier- und Konzerthalle ersetzt wurde, und an deren Platz heute der links angeschnittene Neubau steht.

Das Ende einer Institution

Ein Obdachloser fand fünfzig Jahre nach dem Umbau eine neue Heimat im Alten Warteck. Es handelt sich um den sogenannten "Schalander". Es war dies die alte Bierstube in der die Brauereiangestellten bewirtet wurden. Sie befand sich ursprünglich im obersten Stockwerk des im Jahr 1931 erbauten Warteckturmes am Burgweg 7. Der Schalander war charakterisiert durch traditionelle Ambiance. Geschmiedete Leuchter hingen an massiven Deckenbalken die mit bierbezogenen Sprüchen versehen waren.

Zur Ausstattung des Schalanders gehören ferner Glasmalereien, in denen 1925 der Basler Künstler Burkhardt Mangold (1873-1950) das Thema des Vogel Gryff grafisch umsetzte. Im Schalander fand jeweils im Frühling der sogenannte Mai-Bock der Brauerei Warteck statt. Ein obergäriges Bier wurde dabei traditionell zu diesem Anlass angezapft. Dies in Gegenwart regionaler Prominenz. Nach dem Ende der Bierproduktion am Burgweg wurde der Schalander im Jahr 1991 im Alten Warteck eingebaut.

Mit dem Schalander zog auch der Mai-Bock ins Alte Warteck um. Am 6. Mai 2008 fand hier dann der letzte Mai-Bock statt. Seit 2009 wird der Anlass wieder am Burgweg durchgeführt, im mittlerweile für kulturelle Bedürfnisse genutzten Sudhaus des Werkraums Warteck. Die Tage des alten Warteck sind gezählt. Auf dem Grundstück am Messeplatz plant der UBS Immobilienfonds SIMA in den kommenden Jahren den Bau eines 88 Meter messenden Hochhauses nach einem Entwurf des Büros Morger & Dettli. [22]

Zusammenfassung

Niklaus Emanuel Merian-Seeber, Sohn des legendären Basler Gastwirts Emanuel Merian-Falkner (auch bekannt als "Käsmerian"), kaufte 1856 ein Haus an der Greifengasse 7 um dort eine Bierstube zu eröffnen. Dieses Jahr gilt oft fälschlicherweise als das Bau-, beziehungseise Gründungsjahr der Brauerei Warteck am Riehenring. Merian-Seeber erwarb den Baugrund dort im Jahr 1860. Erst im März 1862 wurde die an dieser Stelle gebaute Wirtschaft mit Brauerei eingeweiht. Die Wahl des Bauplatzes war geschickt.

Einem 1855 errichteten Holzgebäude folgte 1859/62 der Bau des ersten Badischen Bahnhofs nach Entwürfen Joseph Berckmüller. Merians Brauerei mit Gaststube wurde fast zur selben Zeit wie der neue Bahnhof eröffnet, der dem Brauer und Wirt mit seinem Verkehr Kundschaft versprach. An der Bahnhofstrasse (heute Riehenring) bei der Brauerei lagen die Warteplätze für die Droschken. Daraus habe sich der Name "Warteck" ergeben. Andere Quellen sprechen von Fahrgästen die hier auf den Zug warteten als Anstoss.

Fehlende Unterlagen erschweren es, den Architekten der Liegenschaft Riehenring 63/65 zu idendifizieren. Es gibt indes starke Indizien dafür dass Amadeus Merian, der Onkel der Brauers und Bauherrn, dieser Architerkt war. Vergleiche mit Bauten Merians (Café Spitz, Sesselschulhaus am Totengässlein, Hotel Trois Rois) liefern deutliche Hinweise auf einen gemeinsamen Schöpfer im Geiste. Merian-Seeber verpachtete die Brauerei mit Wirtschaft 1869 an Bernhard Füglistaller-Sprenger und dessen Gattin.

Füglistaller hatte seine Lehre als Brauer in der Brauerei von Fritz Merian-Brandmüller an der Steinentorstrasse absolviert und in Bayern das Examen zum Braumeister gemacht. Zurück in der Schweiz heiratete er und pachtete mit seiner Frau Jeanette das Warteck, um es bald darauf mit Hilfe einer Hypothek käuflich zu erwerben. Das Ehepaar führte das Unternehmen zum Erfolg. Während er die aufstrebende Brauerei führte, leitete sie die zunehmend besser laufende Wirtschaft. Es folgten grössere Ausbauten.

Als erstes entstand an der Clarastrasse eine neue Trinkhalle. 1871 kam der Bau eines Kesselhauses hinzu. Der 1872/73 erfolgte Bau von drei modernen kühlen Lagerkellern am Burgweg legte den Grundstein für die spätere Entwicklung der Brauerei Warteck. Das Unternehmen florierte und wurde im Jahr 1889 zur Aktiengesellschaft Bierbrauerei Warteck B. Füglistaller Nachfolger. Kurz zuvor war das Warteck tiefgreifend umgebaut worden während der Braubetrieb 1890/91 an den Burgweg umzog.

Bis zur Einstellung der Braubetriebes im Jahr 1990 sollte der Brauereikomplex am Burgweg das Herzstück von Warteck sein. Dort befand sich im 1931 errichteten Warteckturm auch der sogenannte Schalander, die alte Bierstube der Brauereiangestellten. Bis 1990 fand hier der Mai-Bock statt (als gesellschaftliches Ereignis gestaltetes Anzapfen eines speziell gebrauten Bieres). Der alte Badische Bahnhof am Riehenring wurde durch einen 1913 eröffneten Neubau an der Schwarzwaldallee ersetzt.

Zur selben Zeit, 1912/14, liess die Bierbrauerei gegenüber an der Schwarzwaldallee 183 das Restaurant "Neues Warteck" einrichten. Somit gab es auch beim neuen Bahnhof ein Warteck und das Stammhaus am Messeplatz (wo bald die Mustermesse entstand) bekam damit die Bezeichnung "Altes Warteck". Dessen Interieur aus den 1880er Jahren wurde 1941 durch eine neue Ausstattung in der sachlichen und heimatverbundenen Linie des sogenannten Landistils mit Täferung und Holzsäulen ersetzt.

Der 1991 im Alten Warteck eingebaute Schalander war bis 2008 Schauplatz des Mai-Bock. Dann wurde der Anlass wieder an den Burgweg in ehemalige Sudhaus verlegt. Zu dieser Zeit zeichnete sich das nahende Ende des Stammhauses ab. Dort wo das Alte Warteck mit Nachbarliegenschaften liegt, plant der UBS Immobilienfonds SIMA den Bau eines 88 Meter hohen Hochhauses nach Plänen des Büros Morger & Dettli. Das auf 1862 zurückgehende ehemalige Brauhaus mit Wirtschaft wird bald abgerissen.


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Beitrag erstellt 06.01.11 / Flüchtigkeitsfehler korrigiert 28.03.11

Anmerkungen:

[1] G. A. Wanner, Abschnitt "Bierbrauer und Bierbrauereien im alten Basel", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 4

[2] M. Nanni, Beitrag "Brauerei zum Warteck", publiziert in Die Geschichte der Brauereien beider Basel und Rheinfeldens, Basel, 2009, Seite 233, so wie Kantonsblatt Basel-Stadt Nr. 11 vom 15.03.1856

[3] R. Schiess, Abschnitt "Haus der E. Gesellschaft zum Greifen", im Kapitel "Die Zunfthäuser", publiziert in Die Zunft- und Gesellschafthäuser der Stadt Basel, Basel, 2001, Seite 70 so wie T. Lutz, Beitrag "Greifengasse ehemals 31 / alte 224, Zum Greifen", Abschnitt "vom Brückenkopf zum Claraplatz", publiziert in Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 6 (Altstadt Kleinbasel), Bern, 2004, Seite 278 Spalte 2

[4] G. A. Wanner, Abschnitt "Aus den Anfängen des Warteck", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seiten 9 und 10

[5] R. Anselmetti, Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Basel, 2005, Seite 2

[6] M. Nanni, Beitrag "Brauerei zum Warteck", publiziert in Die Geschichte der Brauereien beider Basel und Rheinfeldens, Basel, 2009, Seite 233, so wie Kantonsblatt BS Nr. 12 vom 22.09.1860

[7] O. Birkner / H. Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 - Basel, Zürich, 1986, Seiten 31, 32 (Zeittafel) und 181 (Messerplatz, Alter Badischer Bahnhof)

[8] G. A. Wanner, Abschnitt "Aus den Anfängen des Warteck", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 9

[9] G. A. Wanner, Abschnitt "Aus den Anfängen des Warteck", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 10

[10] M. Nanni, Beitrag "Brauerei zum Warteck", publiziert in Die Geschichte der Brauereien beider Basel und Rheinfeldens, Basel, 2009, Seite 233

[11] O. Birkner / H. Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 - Basel, Zürich, 1986, Seite 140 (Clarastrasse 59 mit fehlerhaftem Baujahr 1875)

[12] R. Anselmetti, Abschnitt "Würdigung", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Basel, 2005, Seite 1

[13] R. Anselmetti, Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Basel, 2005, Seite 6

[14] G. A. Wanner, Abschnitt "Vom Brauersohn zum Warteck-Brauer", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seiten 12 bis 15

[15] R. Anselmetti, Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Basel, 2005, Seite 2

[16] G. A. Wanner, Abschnitt "Jahre des Wachstums", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 18

[17] G. A. Wanner, Abschnitt "Jahre des Wachstums", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 19 bis 21

[18] G. A. Wanner, Abschnitt "Jahre des Wachstums", publiziert in Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, Basel, 1956, Seite 23

[19] R. Anselmetti, Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Basel, 2005, Seite 2

[20] R. Anselmetti, Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Seite 2 so wie O. Birkner / H. Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 - Basel, Zürich, 1986, Seite 211 (Schwarzwaldallee 183)

[21] R. Anselmetti, Unterabschnitt "Das Innere" in Abschnitt "Baugeschichte", in Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, Seite 5

[22] Medienmitteilung der Warteck Invest vom 16. Dezember 2009, im Internet unter http://e2.marco.ch/publish/warteckinvest/119_10/MM20091216.pdf


Quellen:

Romana Anselmetti, Erweitertes Inventar Riehenring 63-65 / Clarastrasse, Riehenring 67, 69, 71, erstellt von der Basler Denkmalpflege, Basel, 2005

Othmar Birkner / Hanspeter Rebsamen, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850-1920 - Basel, von der Christoph Merian Stiftung ermöglichter Seperatdruck aus Band 2 der Gesamtreihe, herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Zürich, 1986, Seiten 31/32, 140 und 181

Thomas Lutz, Kunstdenkmäler des Kantons Basel Stadt, Band 6, (Altstadt Kleinbasel), herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern, 2004, IISBN 3-906131-78-5, Seite 278 Spalte 2

Lucas Amadeus Merian, Erinnerungen von Amadeus Merian (Autobiographie, posthum herausgegeben), o.V., Basel, 1902

Mario Nanni, Die Geschichte der Brauereien beider Basel und Rheinfeldens, Friedrich Reinhard Verlag, Basel, 2009, ISBN 978-3-7245-1540-1, Seite 233

Robert Schiess, Die Zunft- und Gesellschafthäuser der Stadt Basel, herausgegeben vom Basler Heimatschutz, Verlag Schwabe & Co AG, Basel, 2001, ISBN 3-7965-1889-3, Seite 70

Gustav Adolf Wanner, Hundert Jahre Brauerei zum Warteck AG vormals B. Füglistaller 1856-1956, o.V., Basel, 1956, Seiten 4, 9, 10, 12 bis 15, 18 bis 21 und 23

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