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Glosse Nr.39 / 29. Oktober 2010

Leeres Geschätz

Floskeln sind in der verbalen Kommunikation das Salz von dem immer zuviel drin ist. "Basta" ist so ein Salzkorn. Es ist die Zwillingsschwester von "Punkt" und tut meist so als ob die sich äussernde Person damit ihre Wortmeldung abschliessen möchte, wobei es sich aber eher um den Werwolf im Lammfell handelt. Wahrhaftig ist damit eigentlich oft gemeint "und nun will ich von keinem mehr was hören, denn ich habe gern das letzte Wort." Auch bekannt als "Amen 2.0"

"Einfach nur peinlich" will auf den ersten Blick das Angesprochene auf den Status einer Stammtischzote die sich in eine päpstliche Audienz verlaufen hat reduzieren. Näher betrachtet geht es aber darum zu signalisieren wie niveauvoll man sei, und zu unterschieden wisse was Gehalt berge und was peinlich darherkomme. Man könnte diese Floskel als überflüssige Verschwendung von Kapazitäten aus jedem erdenklichen Gesprächsprotokoll streichen ohne dass es auffiele.

"Denk mal drüber nach" ist vielseitig. Häufig rein rhetorisch in den Raum gestellt, da man nicht wirklich Mitmenschen zum Nachdenken anregen will. Vielmehr sind die vier Worte der Befehl zum Übernehmen einer anderen Meinung, den man zwecks besserer Verdauung in eine unverbindliche Verpackung gesteckt hat. Zugleich kann man dem Gegenüber, sollte er störrisch an seiner eigenen Meinung festhalten, unterschwellig unterstellen dass er nicht zum eigenständigen Nachdenken fähig sei, sondern erst einer Aufforderung dazu bedarf.

Erkennbar aus deutschen Landen kommt das "Fakt ist" daher. Kurz und prägnant tritt die Floskel auf, und hat den Charme der wilhelminischen Anrede "Wo ham' se gedient, Kerl?". In dieser zweiwortigen Eröffnungsformel offenbart sich die Liebe der Deutschen zu klaren Verhältnissen. Zugleich drängt sich in diesen beiden Worten der unheimliche Drang zum undiskutablen Rechthaben auf. Ein Satz der mit dem Paukenschlag "Fakt ist" beginnt, lässt sich passend auch immer mit einem markigen "Punkt" oder "Basta" beenden.

"Das macht Sinn" ist entweder Füllmaterial mit dem sich ein Vakuum peinlicher Stille stopfen lässt indem man offensichtliches kommentiert, oder eine gönnerhafte Variante von "Jetzt hab' ich's begriffen". Irgendwann wollte jemand in Hintertupfingen mit seiner Weltgewandtheit prahlen. Er vergewaltigte die Aussage "It makes sense" 1:1 ins Deutsche. Als das Umfeld irritiert fragte "Was is'n das für n'Satz", konnte damit geprahlt werden, dass man 1989 zwei Tage in L.A. war und noch immer die Sprachen durcheinanderbringe.

Mittlerweile adeln deutschsprachige Politik und Wirtschaft die debile Äusserung zum Sinnmachen durch häufigen Gebrauch, was illustriert dass bei "making sense" auch in höheren Gefilden zunehmend Engpässe auftreten, zum Beispiel wenn es um die Sprachkompetenz geht. Wenn bestimmte Leute dann finden dass es "Sinn mache", von Ausländern im Rahmen ihrer Integration die Beherrschung der deutschen Sprache zu fordern, dann steht die Realsatire vor der Tür, und aus der Weimarer Fürstengruft dringt ein Aufschrei Goethes.

Ein Paradoxon ist die Floskel "notwendig um Arbeitsplätze zu sichern". Gerade die letzte Wirtschaftskrise hat aus der schon früher suspekten Sentenz einen bis zur Heiserkeit ausgestossenen cri de guerre gemacht. Gebrüllt wird er von jenen Kreisen, die längst auf eine Chance lauerten um skrupellos personellen Ballast (aus den unteren zwei Dritteln der Lohnliste) zu entlassen ohne als Lump und Schuft, beziehungsweise Lumpeuse und Schuftline, dazustehen. Ein Vergleich mit dem amerikanischen Paradoxon "Kill for Peace" liegt nahe.

Beliebt ist auch das mit spöttisch gespielter Verwunderung gesprochene "Hallo?" (naja, als Floskel grenzwertig, aber passt trotzdem). Damit haut man üblicherweise dem involvierten Mitmenschen beim Gespräch die Absurdität seiner Worte wie ein Fehdehandschuh ins Gesicht. Jedenfalls glauben dies jene die das Wörtchen mit entsprechender Grimasstik als Anhang eines Gegenarguments ausstossen. Meist schreit diese Spielart der Herablassung indes nur nach einem Fehdeantworthandschuh mit geballter Faust drin.

Gehen Sie also mit Floskeln stets behutsam um. Häufig bewirken sie nicht das was man sich von ihrem Einsatz erhofft. Bevor man etwas Unüberlegtes in einem Floskenmantel vor die Tür schickt, sollte man vielleicht besser manchmal ganz den Mund halten. Es könnte nämlich sein dass sie mit jemandem sprechen der versteht was Sie wirklich meinen. Dann haben Sie sich ganz schnell die eigene Kommunikationssuppe verbal versalzen.

engel

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