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Glosse Nr.15 / 01. November 2004

Dem nächsten zur Wehr

Wenn ich mit dem 36er Bus Richtung Badischer Bahnhof fahre, denke ich bei der Haltestelle St.Jakob immer an meinen Einführungskurs bei der Bezirksfeuerwehr Basel, zwischen Fussballplätzen und Sporthalle. Es war ein bewölkter Maitag, als auf der Höhe des zweiten Stocks die Sicherungsleine mein weiteres Abseilen jäh unterbrach. Da hing ich an der Fassade des Parkhauses und knarrte sanft im Wind wie ein Säckchen Vogelfutter im Winter. Damit gab ich meine erste unterhaltsame Darbietung in Feuerwehruniform.

Edle Dinge wollte ich tun, als ich mich zum Dienst bei der Bezirksfeuerwehr meldete. Milizmässig unterstützt diese Truppe bei Bedarf die Berufsfeuerwehr. Voller Tatendrang fasste ich im Januar 1994 auf dem Lützelhof Uniform und Ausrüstung, das Aufgebot empfahl ausdrücklich das Mitbringen eines grossen Koffers. Teil des Einführungskurses war auch das obengenannte Abseilen. Dabei musste Mamis Sohn seine Höhenangst überwinden und sich mittels Brandgurt, Karabinerhaken und Rettleine vom Dach des Parkhauses St.Jakob abseilen.

Damit ich nicht versehentlich auf den Asphalt klatschte, sicherte mich ein anderer Aspirant mit einer zweiten Leine. Wider Erwarten glitt ich schneidig und sicher in die Tiefe. Aber etwas zu zügig. Der Sicherer kam mit Seilgeben nicht nach und wurde wie ein Fisch am Haken von mir in den Abgrund gezerrt. Bevor er abwärts entschwand packte ihn der Instruktor. Wie eine halb ausgedrückte Senftube hing Kamerad Sicherer am Geländer. Zwischen Himmel und Erde fragte ich mich derweil, was meine Talfahrt gebremst hatte.

Ich war ahnungslos und bar jeden besorgten Gedankens, bis oben am Geländer der Kopf eines Mitaspiranten erschien, der mir versicherte dass alles in Ordnung sei, und dass man die Sache in den Griff bekäme. Ganz besonders der letzte Teil des Satzes war dazu angetan, mich erheblich zu beunruhigen. Generell ist das Zusprechen von Mut stets ein schlechtes Zeichen. Man will dem unglücklichen Opfer nebst seiner misslichen Lage seelische Leiden ersparen und erzählt ihm schöne Dinge. Das funktioniert nicht bei misstrauischen Opfern.

Ehe ich mich weiter aufregen konnte ging es unerwartet weiter - gleich zwei Meter auf einmal. Höchst unelegant kehrte ich auf den harten Asphaltboden der Realität zurück. Eingekeilt zwischen Schlauchhaspeln hatte ich bei der anschliessenden Fahrt auf unserem Einsatzfahrzeug Zeit, der bösen Welt die Schuld für das Geschehene zuzuweisen. Unsere Fahrzeuge (vulgo MOWAG) offenbarten übrigens, dass wir auf der Prioritätenliste der Basler Obrigkeit wohl nur als hastig angefügter Appendix nach dem letzten Punkt (Herbstlaub sortieren) existierten.

Den Passagieraum musste man sich mit Schlauchhaspeln teilen indem man die Füsse drauf legte oder daneben reindrückte. Am offenen Heck wehten einem die Abgase berauschend um die Nase. Als sich die Armee diese Geländewagen anschaffte, hielt man John, Paul, George und Ringo noch für die Geschmackssorten einer italienischen Limonademarke. Als die Armee die Dinger nicht mehr wollte, bekam sie der Zivilschutz. Und als der sie ausmusterte gelangten sie als graufarbene Veteranen zur Basler Bezirksfeuerwehr.

Längst bringen uns moderne Einsatzfahrzeuge mit schliessbarem Heck an die Stätten unseres Wirkens, und die alte Kompanie der ich zugeteilt wurde gibt es auch nicht mehr. Doch wenn immer der Bus die Brüglingerstrasse runterfährt, denke ich an meinen Auftritt als dekoratives Detail in Feuerwehruniform an der Parkhausfassade.

engel

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