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Glosse Nr.36 / 13. September 2009

Neues aus dem Elfenbeinturm

Wehe sie sind losgelassen. Ich spreche nicht von den ungezogenen Söhnen nordafrikanischer Ölpotentaten sondern von den Bewohnern der Elfenbeintürme. Dabei ist das Loslassen selbst nicht das Problem, denn ihr Ausgangsrayon beschränkt sich auf ihre Gelehrtenstube. Dies lässt sich jedenfalls aus ihrem Tun und Handeln schliessen. Ich spreche von jener Gattung Mensch, die unbeirrbar an grossen Gedanken festhält, die jenseits ihrer Türschwelle als heftig unrealistisch oder schlicht als blöde Idee wahrgenommen werden.

Es ist ein dummes Klischee, dass gerade unter angehenden Akademikern besonders viele Exemplare dieser Gattung zu finden seien. So tut es mir ein wenig leid, dass mit einer Studentin aus Kleinbasel mein Demonstrationsobjekt gerade aus dieser Sparte stammt. Sie lädt mit ihrer bescheidenen Einzimmerwohnung für 310 Franken im unteren Kleinbasel direkt dazu ein. Ich plauderte einmal ein wenig mit ihr, als ich noch als Wachmann arbeitete und eine Nacht wachsam vor einem Objekt der Messe Basel wachte.

Während ich geschlossene Türen kontrollierte, berichtete sie mir dass der alte Block in dem sie lebe puncto Sicherheit unter aller Sau wäre. Keine Kamera an der Haustür, nicht einmal eine Gegensprechanlage. Und dies in einem Quartier welches sie als finsteres Pflaster empfand. Ich entgegnete, dass es halt eine billige Wohnung sei. Mein Argument wurde mit dem Hinweis abgetan, dass Kameras und Gegensprechanlagen heute einfach dazu gehörten. Besser noch wäre ein Schließsystem mit Chip anstatt mit Schlüsseln.

Mit anderen Worten versuchte ich nochmals auszuführen, dass alte Mietwohnungen mit niedrigen Mieten naturgemäss mit sich brächten dass nicht alles auf dem neusten Stand sei. Mir wurde vorgehalten, dass ich offenbar einfach nicht verstehen wolle - zeitgemässe Standards dürften keine Frage des Geldes sein. Es sei die Pflicht eines Hauseigentümers alles auf aktuellem Level zu halten. Und ein Lift gehöre auch eingebaut. Was auch immer sie studierte, mit der realen Welt hatte es nichts zu tun.

Ein Gedankengang aus dem Elfenbeinturm des Bundesamts für Statistik (BFS) liegt derzeit vom Schweizervolk sehr auf dem Magen. Dabei geht es um SAKE. Der Name lässt auf den ersten Blick vermuten dass es um japanischen Reiswein geht. Dem ist nicht so, wenn auch der nachfolgende geschilderte Auswuchs ein Indiz dafür ist, dass die Idee nach dem Konsum vieler Holzmasus randvoll mit Sake geboren wurde. SAKE ist die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung, in deren Name neues erlaubt wurde.

Das Bundesamt für Statistik kam auf den Gedanken, dass seine Arbeit viel leichter wäre wenn der Arbeitsnehmer in der Schweiz einfach daheim angerufen werden könnte, damit man ihn zu allerlei delikaten Dingen rund um seinen Job und sein Leben befragen kann. Und da der von Telefonspammern genervte Konsument die Neigung hat bei unerbetenen Belästigungen via Fernsprecher einfach aufzulegen, wird dergleichen Widerborstigkeit mit einer Busse zwischen 70 und 100 Franken belegt. Die Befragung wird von einem privaten Unternehmen durchgeführt.

Der eigens bemühte Artikel 6 im Bundesstatistikgesetz verpflichtet den Belästigten bei Strafe dazu, das Nachtessen stehen zu lassen und servil das telefonische Durchwühlen der Schublade seines Arbeitslebens zu erleiden. Eine Lehrbuchidee aus dem Elfenbeinturm, wo gemäss allgemeiner Definition der Intellektuelle a l'outrance seinen Weg geht, egal wieviel Vernunft dafür dran glauben muss. Nun wundert man sich im Olymp der Statistik darüber, dass im Volk das System Peitsche ohne Zuckerbrot schlecht ankommt.

Nach 6 Jahren Irakkrieg kennt man den Firmennamen Blackwater, und weiss was passieren kann wenn ein Staat wichtige Aufgaben einem Privatunternehmen überlässt. Vielleicht hat man in Bundesbern zuviel Inspiration aus Washington abbekommen. Aus sicherer Quelle weiss ich indes, dass das befragende Institut vom BFS nicht ermächtigt ist Wasserfolter oder Stromkabel zur Erlangung von Information anzuwenden. Andrerseits traue ich unseren Elfenbeinturmfalken nicht, und hab' schon mal meinen Asylantrag in Island vorbereitet.

engel

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