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Glosse Nr.22 / 09. Dezember 2005

Staatsfeind Nr.1: Der Dialekt

"Im Schwarzwald stoht es Hüsli, im Schwarzwald stöhn viel Bäum. Uff aimool lüütet s'Glöggli, dr Santichlaus chunnt heim." Es könnte wohl das letzte Verslein in Dialekt gewesen sein welches mein vierjähriger Sohn dem Nikolaus vorgetragen hat. Mit dem nahenden Schuljahr 2006/07 wird Baseldeutsch weitgehend aus den Grundschulen unseres Kantons verbannt, und die selbe Marschrichtung zeichnet sich bei den Kindergärten ab.

Da regt sich in mir der kleine Zola dem danach dürstet anzuklagen. Ich klage an, und zwar jene die das Skalpell nicht nur ohne Bedenken sondern sogar mit Begeisterung an eine Wurzel der Kultur setzen - die Umgangssprache. Die Kulturstadt Basel schickt sich an die eigene Kultur in den Köpfen ihrer Kinder, oder besser gesagt auf deren Zungen, schon im Vorschulalter zu tilgen. Dieses Skalpell, das heilsam wirken soll, könnte sich aber später als Fallbeil herausstellen. Und was ein solches nach dem Niederrumpeln einmal angerichtet hat ist bekanntlich irreversibel.

Hier geht es nicht nur um das Vokabular, welches im Frankfurt von Fräulein Rottenmeier ein gänzlich anderes ist als in Heidis Heimat. Auch baut sich der Eidgenosse seine Sätze erheblich anders als der deutsche Michel. Beklagt man nun dass Baseldeutsch die deutsche Hochsprache im Kindermund verstümmle, dann ist die logische Folge bei einer Umkehr der Verhältnisse auch eine Umkehr des Mißstands. Es bedarf keines akademischen Grades in Pädagogik um sich die Resultate einer derartigen Transplantation von Scheren des Zeitgeistes in Kinderköpfe auszumalen.

Mir sträubt sich die gesamte Körperbehaarung beim Gedanken daran dass mein Sohn in einigen Jahren nicht mehr in der Lage sein wird "Z'Basel an mym Rhy" zu verstehen, zu lesen oder zu rezitieren. Die Mutmassung entbehrt wohl nicht jeder Grundlage, dass Hoffmann von Fallersleben zum Totengräber von Johann Peter Hebel wird. Man bemüht Studien um zu beweisen dass die Anwendung von Standarddeutsch dem Umgang mit Standarddeutsch zuträglich ist. Nebst dieser erstaunlichen Erkenntnis wird verdrängt, was logischerweise mit einer Dialektsprache geschieht wenn man sie ausblendet.

Ferner frage ich mich was meinen Filius erwartet, wenn er dereinst im Unterricht die Hand hebt um den Lehrer zu fragen ob er kurz auf's WC darf, und sich dabei versehentlich des gebannten Basler Dialekts bedient? Bei Linkshändern "korrigierte" man die Neigungen ihrer Natur einst mit dem Rohrstock. So rüde ist man heute nicht mehr. Ich mutmasse dass man ihn als Soziopathen zum Psychologen schicken und bis zu den Ohren mit Methylphenidat abfüllen wird. Ich schliesse mich jenen an die beim Hebeldenkmal vor der Peterskirche ein Grablichtlein für die zum Tode verurteilte lokale Mundart aufstellen.

engel

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