face

zurueck


glossen
Glosse Nr.6 / 09. September 2003

Denglisch

Verschwörungstheorien sind wieder stark in Mode. Dazu will auch ich mein Gehirngespinst beitragen, welches ich gemeinsam mit meiner Paranoia im Bastelkeller konstruiert habe. Es begab sich, dass ich letzte Woche die neue SBB-Passerelle besuchte. Den Zug nach Olten habe ich verpasst, dafür habe ich mir eine neue Bundfaltenhose, eine Taschenlampe, eine Wurscht mit Senf und ein halbes Dutzend Velopneus gekauft.

Auf dem Rückweg ins Gundeli sticht es mir ins Auge - dieser Konsumtempel mit SBB-Nebenfunktion heisst "Rail-City". Eilig verlasse ich diesen Ort. Auch hier hatte jene finstere Macht zugeschlagen, die ich mangels Kreativität "das Dunkle Imperium" nenne. Es hat sich ganz offenbar der Gehirne der Unbedarften bemächtigt, um über sie in unseren Kulturraum einzudringen mit dem Ziel ihn mit Versatzstücken aus dem Vokabular der englischen Sprache zu verseuchen.

Während Wahlplakate mir einreden wollen, dass meine Heimat von arabischen bösen Buben für Terrorzwecke unterwandert werde, hat längst das Imperium überall Fuss gefasst um unsere Wortschätze mit Anglizismen zu schwängern, und ich bin der einzige der das erkannt hat. Mein Blick fällt an der Tramhaltestelle des 16ers auf einen Rekruten mit gelben Kragenspiegeln. Der alte Troupier erkennt beim Blick auf die Nummer der Achselschlaufe, dass der Junge in Thun eine Rekrutenschule bei den Panzertruppen absolviert - auch eine Brutstätte des Bösen.

Die Maxime "Go hard or go home" welche den jungen schweizer Pänzelerrekruten eingetrichtert wird, spricht eine klare Sprache. Was ist aus den schönen lateinischen Mottos geworden, die dem rauhen Soldatenhandwerk etwas Klasse verliehen? Das Regment des Duke of Wellington: "Virtutis fortuna comes" (Das Glück begünstigt den Tapferen), oder Das Royal Highland Regiment: "Nemo me impune lacessit" (Niemand fordert mich ungestraft heraus) - Tempi passati...

Lassen wir die Welt des Martialischen beiseite. Es gibt auch hier jeden Tag Beweise für das Wirken der dunklen Seite der Macht. Zur vergangenen Jungbürgerfeier sprach die Regierung des Kantons Basel-Stadt die einzelnen Eingeladenen als "Very Important Young Person" an. Wie die Basler Zeitung in der Nummer 208 zu berichten wusste, wurde der Jungbürgerabend durch ein BKB-Foto-Shooting sowie Gambling, Styling und Wellness bereichert. Brauchen Sie noch mehr Beweise?

Die Kantonspolizei hat vor einiger Zeit die Zauberformel "Community Policing" entdeckt. Vergessen wir die Details des Konzepts und fragen wir uns an dieser Stelle, wieso eine Stützsäule der Basler Polizeiarbeit englisch beschriftet sein muss? Das wird dem FCB-Fan vertraut vorkommen, musste er doch bereits "Nationalliga A", und vorsichtshalber auch "Nationalliga B",in seinem Vokabular durch die Bezeichnungen "Super League" und "Challenge League" ersetzen. Gerüchten zufolge soll Beni Thurnheer deswegen würdevoll Seppuku begangen haben, was aber keiner mitkriegt weil ihn das Imperium bereits durch einen Klon ersetzt hat.

Überall rechtfertigen nadelgestreifte Entscheidungsträger die Massenproduktion von Härtefällen mit Satzgebilden von denen jedes dritte Wort ohne Kenntnisse des Englischen nicht verständlich wäre. Wenn man genau hinsieht, erkennt man bei diesen Personen die kleine Narbe hinter der rechten Ohrmuschel, die vom Einpflanzen des Prozessors zeugt, mit dem das Imperium den Redefluss lenkt. Derart verschlüsselt sollen Hiobsbotschaften die unwissenden Arbeitnehmer vor Scham über ihre eigene Unwissenheit verstummen lassen, so dass erst gar keine hässlichen Fragen ausgesprochen werden.

Es gab bereits einen vergleichbaren Versuch mit Medizinern. Diese konnten einem in einem persönlichen Gespräch eine Stunde lang eine schreckliche Diagnose ausführen, die ebensogut die Memoiren von Julius Cäsar hätten sein können. Erst gewissenhaftes Nachschlagen in einem lateinischen Wörterbuch enthüllte, dass einem der Kopf langsam auf die Grösse einer Kokosnuss schrumpfe, und dann schliesslich das PTT-Gelb eines Briefkastens annehme. Latein erwies sich aber als zu tot, nun ist Englisch dran.

Aber es gibt Hoffnung. Finnische Rebellen haben den Kampf gegen das Imperium aufgenommen. Unter dem Kommando eines bekannten Rennfahrers hat ein Stosstrupp auf dem Bereich der mobilen Telekommunikation bereits eine solide Basis errichtet, von der aus hoffnungsvoll der Name der finnischen Ortschaft Nokia ins englischsprachige Dunkel stahlt. Irgendwann werden wir das Joch des Imperiums abwerfen. Dann wird unsere Sprache trendgemäss mit Zungenbrechern aus dem fernen Finnland durchzogen sein. Darauf freue mich jetzt schon.

engel

zurück