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Glosse Nr.37 / 08. Januar 2010

Der Nutzen der Angst

Die Römer der Antike schätzten das Rezept "Brot und Spiele" um das Volk zufrieden und gefügig zu halten. Tempi passati, denn die Politik hat mittlerweile entdeckt dass "Furcht und Schrecken" das dynamischere Duo sind. Mit diesen Zwei vor Augen lassen sich viele Leute Dinge andrehen die sie bei kühlem Verstand nicht so willig schlucken, geschweige denn lautlos verdauen würden. Angstmacherei fängt bereits im Detail an.

Es hat sich gezeigt dass der menschliche Verstand weitgehend immun gegen Fakten sein kann. Feldversuche haben ergeben, dass sogar ein Brocken Gotthardgranit in der Lage ist zu begreifen, dass das regelmässige Einatmen von Rauch die Gesundheit schädigt. Ergo dürfte es unter dem evolutionsmässig höher gelagerten Menschen eigentlich gar keine Raucher geben. Da es sie dennoch gibt, hat man lange mit guten Ratschlägen versucht denen ihr unsinniges Tun auszureden.

Dies hat wenig gefruchtet. Deshalb arbeitet man jetzt mit dem Holzhammer und beschwört in grossen schwarzen Lettern und mit dickem Trauerrand den Rauchertod auf jeder Schachtel Zigaretten. Damit soll sich wenigstens fürchten wer denn nicht hören will. Längst hat sich indes die Macht des Schreckens auf andere Ebenen etabliert. Sie war dort eigentlich schon immer daheim, wurde aber in jüngerer Zeit als besonders vielversprechend weiterkultiviert. Heute steht sie in prachtvoller und erntereifer Blüte.

Gegen Angst wird in diesem Zusammenhang oft "Sicherheit" als universelle Schutzpatronin angerufen. Unter dieser Etikette kommt vielerlei daher - vom biometrischen Pass bis zum Fudiblutt-Scanner. Mit genug Angst nimmt man ergeben Terahertzduschen auf Flughäfen hin. Auch wenn sie nichts nützen gegen Vogelschwärme im Triebwerk oder vereiste Tragflächen, die mehr Passgiere umbringen als Unterhosenbomber. Doch der Göttin Sicherheit dürstet nach Altären, und Furcht macht sie möglich.

Furcht ist in jeder Himmelsrichtung der politischen Landschaft als hilfreiches Werkzeug begehrt. Die kraftvoll gerührten Angsttrommeln der Gegner werden als plump und perfid angeprangert. Die eigene Panikmache preist man derweil als aufklärende Fakten, die der objektiven Meinungsbildung dienen. Parteien appellieren kaum noch an den gesunden Menschenverstand im Volk wenn's um die Wurst geht. Furcht ist der sicherere Faktor, da sie (im Gegensatz zu Intelligenz) überall ausreichend vorhanden ist.

Arbeitsplätze sind ein beliebter Ansatzpunkt. Die hiesige Glaubensgemeinschaft des Amis de Bruxelles mahnt ständig, dass die Schweiz nur beim Weilen unter Europas sanftem Flügel glücklich werde, ansonsten Helvetias Schlafwagen auf's Abstellgleis rolle und viele viele Arbeitsplätze flöten gingen. Der Bund vom Blute Tells predigt von der anderen Kanzel wiederum, dass jeder Flirt mit der Sirene EU uns viele viele Arbeitsplätze kosten werde. Zweimal dasselbe ungeniessbare Menü; nur die Farben von Teller und Serviette variieren.

Oft sitzt dann das Stimmvolk der Schweiz bei Urnengängen zwischen zwei Köchen die nichts besseres wissen als dem Gourmet einzureden, dass man an der Suppe des Konkurrenten ganz grässlich und qualvoll ersticken werde. Wen kann es wundern, dass da immer weniger Leute Lust haben in dieses Restaurant zu gehen? Und gehen sie dann doch einmal, kann es passieren dass der über Jahre hinweg flatterig gemachte Gast Geschirr zerdeppert, Suppe verschüttet und danach lange sauber gemacht werden muss.

Die Klaviatur des Schreckens hat viele Tasten, die schon ganz abgenutzt sind vom Herunterklimpern des Liedes vom Tod oder wenigstens der Weise des Unbehagens. Alles was ängstigt ist den Pianisten der Meinungsmache recht. So soll man sich je nach politischer Schattierung vor fremden Religionen, fremden Menschen, neuen Technologien, alten Technologien, Wehrmännern mit Sturmgewehr, Jugendlichen mit Frust, Offroadern, neuen Gesellschaftformen, alten Gesellschaftsformen oder Ananasjoghurt fürchten.

Schliessen wir bei den Eingangs erwähnten alten Römern. Wenn immer jemand den Teufel an die Wand malt, sollte man sich Ciceros sehr alte Frage "Cui bono" (Wem zu Nutzen) in Erinnerung rufen. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Aber als Peitsche taugt sie ausgezeichnet. Viele Ängste entpuppen sich beim zweiten Blick nicht als schreckliche Monster sondern als simple Peitschen, geschwungen von Leuten denen vernünftige Argumente ausgegangen sind.

engel

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