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Der Tambourmajor und die Fasnacht
© by altbasel.ch

Seinen Stock würdevoll schwingend, schreitet er gemessenen Schritts den Tambouren voran durch die Strassen. Schon Heinrich Heine (1797-1856) verewigte diese Erscheinung in seinem Gedicht "Der alte Tambourmajor". Darin eroberte dieser, von fescher Gestalt, in fremden Landen die Herzen der Damen, derweil sein Kaiser Napoleon die Landesherren weniger charmant in die Knie zwang.

Auch in der komischen Oper "Die Tochter des Tambourmajors" von Jacques Offenbach (1819-1880) hat diese Figur ebenso seinen Platz wie in dem sozialkritischen Drama "Woyzeck" nach Georg Büchner (1813-1837). Ein eitler Tambourmajor bezirzt darin in seiner prachtvollen Uniform die Geliebte der tragischen Hauptfigur, was schlussendlich in Mord und Totschlag mündet.

Als die Trommeln noch der für militärischen Signalgebung dienten, hatte ein spezieller Unteroffizier die Trommler auszubilden und zu leiten. Die Rangbezeichnung "Major" zeigt an, dass der Tambourmajor, obschon Unteroffizier, relativ hoch einzustufen war. Seine fachliche Kompetenz erhob ihn oft sogar über niedere Offiziersgrade, was sich auch in seiner teuren Uniform spiegelte.

Im Dienste ihrer Majestät

Frühe Angaben zum Tambourmajor finden sich in England. Ist um 1579 noch von einem "Chief Drummer" (Trommlerchef) die Rede, ist für 1590 die Aussage belegt, dass jedes Regiment über einen "Dromme Maior" verfügen sollte. In der 1644/45 entstandenen neuen englischen Armee, die New Model Army von Oliver Cromwell (1599-1658), durfte auch die Charge des Tambourmajors nicht fehlen.

Überliefert ist, dass die von Charles II. (1630-1685) im Exil gegründeten Grenadier Guards im Oktober 1662 einen Tambourmajor für ihre Trommler zugestanden bekamen. Man musste ein geübter Tambour sein, um diesen wichtigen Rang bekleiden zu können. Es wurde nämlich erwartet, dass der Tambourmajor mit eigener Hand auf der Trommel vorführen könne, was er die Tambouren lehrte.

Ferner wurde von ihm erwartet, dass er die Gesellschaft von Unteroffizieren jener von einfachen Tambouren vorzog. Dies sollte seinen Rang unterstreichen und verhindern dass man den Tambourmajor im Lichte eines gemeinen Trommlers sah. Seine Funktion machte ihn nicht nur für die Trommelkunst verantwortlich, sondern auch für die tadellose Uniform eines jeden seiner Tambouren.

Die Uniform des Tambourmajors war von ausgesuchter Pracht. Sie kostete oft so viel wie die eines hohen Offiziers und erhob ihn über die Trommler. Neben seinem eigentlichen Fachgebiet unterstand ihm auch das Postwesen. Ausserdem musste der Tambourmajor in der englischen Armee das Auspeitschen fehlbarer Soldaten überwachen, und zuvor prüfen ob die Peitsche den Vorschriften entsprach.

darstellung des gefechts bei gisikon 1847

Eidgenössische Truppen im Gefecht bei Gisikon während des Sonderbundkrieges 1847. In der Mitte ein grossgewachsener Tambourmajor mit Fellmütze vor seinen Trommlern | Detail einer Illustration nach Karl Jauslin (1842-1904)

Französische Einflüsse

Eine frühe Nennung eines Tambourmajors in Basel fällt in das Jahr 1712. Damals fand auf dem Petersplatz ein bis dahin einmaliges Spektakel statt. Siebzig Tambouren versammelten sich im Kreis und gaben ein grosses Trommelkonzert. Geleitet wurde diese Darbietung von einem so genannten Generaltambourmajor, von dem überliefert ist dass er aus dem nahen Pratteln stammte.

Der Tambourmajor in Basel hat im 19. Jahrhundert deutlich erkennbare französische Züge erhalten. Mit der Besatzungszeit ab 1798 lernte die Stadt auch den Tambourmajor der neuen französischen Armee kennen. Goldborten, glänzende Quasten und Fansen, Messing und Federbüsche prägten sein Bild. Diese Pracht hinterliess auch in Basel Spuren des militärischen Pomps.

Die Franzosen wählten vielfach grossgewachsene Männer zum Tambourmajor. Diese Körpergrösse wurde durch eine hohe Bärenfellmütze zusätzlich betont. Den Rang unterstrich die betont aufwendige Uniform. Solchermassen überragte der Tambourmajor optisch doppelt die Truppe. Ein fernes Erbe dieser Übergrösse mögen an der heutigen Fasnacht die gewaltigen Larven der Tambourmajore sein.

Tambourmajor Jakob Gerster

Der bekannteste Tambourmajor der Nordwestscheiz in der Zeit nach Napoleon war Jakob Gerster (1822-1865). Er stammte nicht aus Basel sondern aus Gelterkinden im oberen Baselbiet, wo er als Bannwart wirkte. Er war sehr gross, weshalb er den Übernamen "dr lang Boni" bekam (Im Gegensatz zu seinem Vater, den man "dr Boni" nannte). In französischer Tradition machte man ihn zum Trommelchef.

Gerster war Tambourmajor im Baselbieter Infanterie-Bataillon 27 und wurde zum Gegenstand zahlloser Legenden, bevor er 1865 tragisch zu Tode kam als ein Stier auf ihn fiel. Seine Bärenfellmütze krönte ein Federbusch in den Kantonsfarben Rot und Weiss. Silberne Schulterstücke und weisse Stulpenhandschuhe ergänzten das Tenü. Mit Schnurr- und Backenbart wirkte er stattlich.

Nach lokalem Dafürhalten sei er sogar der schönste Tambourmajor der Schweiz gewesen. Auch habe er seinen Stock beim Marsch durch Liestal so hoch werfen können, dass er in hohem Bogen über das obere Tor flog. Gerster sei derweil durch das Tor gerannt, und habe jeweils den Stock aussen wieder gefangen. Zeugen für diese sensationelle Kunstfertigkeit leben allerdings keine mehr.

holzschitt des kindermorgenstreichs von 1872 mit trommlern und tambourmajor

Morgenstreich der Basler Kinder 1872. Zwischen der Laterne und den militärisch uniformierten Trommlern ist mit erhobenem Stock der Tambourmajor zu sehen | Detail eines Holzstichs nach Carl Huth.

Ein osmanisches Machtsymbol

Der Stock des Tambourmajors stammt wahrscheinlich vom "Tugh" (tu:ğ) ab, der zuweilen einen runden Knauf hatte und mit einem Pferderschweif geschmückt war. Dieser Tugh hatte seine Wurzeln im türkisch-mongolischen Kulturraum. Er symbolisierte im osmanischen Heer seit dem Mittelalter militärische Autorität. Er galt gleichsam auch als eine Art Feldzeichen.

Die Trommeln spielten eine tragende Rolle bei den Anfängen der modernen Fasnacht im 19. Jahrhundert. Es liegt nahe, dass sie auch den ebenfalls aus dem militärischen Fach kommenden Tambourmajor mit ins Strassenfasnacht brachten. Stolz vor den Tambouren schreitend, wurde er mit seinem geschwungenen exotischen Stock zu einer besonderen Attraktion der Basler Fasnacht.

Das Schwingen und Schleudern des Stockes, wie es etwa Jakob Gerster beherrschte, wurde zu einer Kunstform erhoben. Eine Fasnachtsclique die etwas auf sich hielt, musste mit einem prächtigen Tambourmajor aufwarten können. Aus diesem Grund vermehrte sich in Basel diese Gattung zur Fasnacht weit über den Rahmen des militärischen Bedarfs bei den Truppen des Kantons hinaus.

Die Kunst des Stockschwingens

Die hohe Kunst des Stockschwingens an der Fasnacht ist im Laufe der Zeit weitgehend verloren gegangen. Wie sollte auch ein Tambourmajor unserer Tage in seiner sperrigen Larve und seinem schweren Kostüm derart akrobatische Darbietungen vollführen? Anders verhielt sich dies im 19. Jahrhundert, als an den Wurfarm eines Tambourmajors hohe Anforderungen gestellt wurde.

Wahrend des Gehens konnte ein geübter Tambourmajor den Stock schwungvoll in die Lüfte werfen und ruhig weiterschreiten. Dabei drehte er sich um, lief rückwärts um seine Tambouren im Auge zu haben, ohne dabei nach dem fliegenden Stock zu sehen. Intensives Trainings auf den Weiden bei St.Jakob liess ihn wissen, wann der Stock hinabkam und wie er ihn sicher auffangen konnte.

Verfehlte der fallende Stock seine Hand, so war sein Ruf ein für allemal dahin. Bei einem Fehlwurf ins Publikum hätte gar mit ernsten Folgen für die Getroffenen gerechnet werden müssen. Das Spiel mit dem Stock war keine leichte Extravaganz der Eitelkeit. Es erforderte sehr viel Übung, Kraft und Wagemut. Neben den Würfen gab es auch andere Einlagen die Applaus brachten.

dienstagszug mit tambourmajor an der basler fasnacht

Tambormajor mit hoch erhobenem Stock am Fasnachtdienstag (ohne Cliquenkostüm, daher auch ohne grosse Larve) an der Schneidergasse vor dem Gifthüttli. Ein klassisches Fasnachtbild.

So genannte Stern- und Kranzfiguren basierten darauf dass der Tambourmajor den Stock in seiner Hand im Kreis wirbeln liess, so dass ein silbern glitzerndes Rad zu entstehen schien. Eindrücklich muss es ausgesehen haben, wenn der wirbelnde Stock hin und her bewegt wurde. Ein Meister seines Fachs verstand es sogar, dieses rasende Wirbeln ohne Unterbruch auszuführen.

Dies liess sich noch steigern indem das sausende "Rad" während der Gehens mit scheinbar eleganter Leichtigkeit von einer Hand in die andere wechselte. Wer das Können hatte dies zu wagen, trieb es manchmal auf die Spitze indem er anhaltend den Stock einmal in der einen und einmal in der anderen Hand wirbeln liess, um ihn dazwischen immer wieder plötzlich in die Höhe zu werfen.

Schaffte es ein Tambourmajor auf ganzer Strassenlänge, etwa in der Freien Strasse, den Stock unentwegt derart in Bewegung zu halten, war ihm ein Ehrenplatz im Olymp der alten Basler Fasnacht sicher. Dem Tambourmajor von heute sind solche Einlagen fremd (auch wegen der Tramleitungen). Er besticht nun durch sein Kostüm und seine Larve, die das Sujet der Clique kunstvoll ergänzen.




Beitrag erstellt 06.01.05 / überarbeitet 30.01.23

Quellen:

Georg Duthaler, Trommeln und Pfeifen in Basel, Christoph Merian Verlag, Basel, 1985, ISBN 8-856-16-023-10, Seiten 72 bis 73

Paul Koelner, Die Basler Fastnacht, herausgegeben vom Fasnachts-Comité, Universtitätsbuchdruckerei Friedrich Reinhardt, Basel, 1913, Seite 27

Eugen Anton Meier, "Die Fasnacht im alten Basel", publiziert in Die Basler Fasnacht, herausgegeben vom Fasnachts-Comité, Basel, 2. Auflage 1986, ISBN 3-9060-7200-1, Seiten 66 bis 67

Roland Petitmermet / Lucien Rousselot, Schweizer Uniformen 1700-1850, herausgegeben vom Historischen Verein des Kantons Bern, Bern, 1. Auflage 1976, ISBN 3-85731-001-4, Seite 86 und Tafel 87 (Tambourmajor Gerster)

Eduard Strübin/Paul Suter, Müschterli us em Baselbiet, Quellen und Forschungen zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Basel-Landschaft, Band 18, herausgegeben von der Kantonalen Schul- und Büromaterialverwaltung BL, Liestal, 2. Auflage 1984, ISBN 3-85673-205, Seite 175

Diverse Autoren, Beitrag "Gester Jakob", publiziert im Personenlexikon des Kantons Basel-Landschaft, Verlag des Kantons Basel-Landschaft, Liestal, 1997, ISBN 3-85673-251-9, Seite 64

engel

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