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fragen zum alten basel
Umstrittene Bauvorhaben in Basel



Herr S. / 19. Juni 2007:

Basel hat mit der Ablehung des neuen Stadtkasinos von Zaha Hadid mal wieder gezeigt wie rückständig und provinziell es denkt. Grossen Würfen der Architektur werden in Basel ständig Steine in den Weg gelegt. Hat diese mühsame Verhinderungkultur Tradition in Basel? Gab es früher auch schon grosse und ambitionierte Projekte die an ewigen Nörgeleien scheiterten?

Antwort von altbasel.ch:

Abstimmungen um grosse Bauprojekte gab es in der Vergangenheit immer wieder. Einige Vorhaben bekamen den Segen des Stimmvolks, andere nicht. Einige Projekte erwiesen sich hinterher tatsächlich als sinnvoll, andere nicht. Darüber zu befinden ist nicht meine Sache. Hier seien einige bemerkenswerte Abstimmungen aus der Vergangenheit aufgezählt:

1932 - Abstimmung über Bau des neuen Kunstmuseums

Der Württembergerhof am St.Alban-Graben war auch wegen seiner Gartenanlage eines der schönsten barocken Baudenkmäler Basels. Im Mai 1932 wurde an der Urne darüber entschieden ob an seiner Stelle ein neues Kunstmuseum entstehen sollte. Der Abstimmung war seit 1909 ein langer Kampf um das Aussehen eines Kunstmuseums und dessen Standort vorangegangen. Unter anderem hatte man für letzteres die Schützenmatte oder den Münsterplatz vorgeschlagen.

Konkret konnte die Gestaltung werden nachdem der Staat den Württembergerhof 1926 als Standort für das neue Museum erworben hatte; der historische Garten der Liegenschaft war bereits durch die Dufourstrasse durchtrennt. Aus der Debatte ging schliesslich ein Bauprojekt von Rudolf Christ unter Mitwirkung von Paul Bonatz hervor. Das monumentale Bauwerk war im Vorfeld der Abstimmung heftig kritisiert worden, unter anderem wegen der Kosten.

Gegner des neuen Kunstmuseums argumentierten dass man für die Kosten von 7 Millionen auch ein modernes Museum, ein Hallenbad und 75 Einfamilienhäuser bauen lassen könnte. Ferner hielt man den gewaltigen Still für unzeitgemäss. Am 8. Mai 1932 entschied sich das Stimmvolk an der Urne mit 6836 Ja gegen 6190 Nein für das neue Kunstmuseum. Das Opfer der Württembergerhofs spielte dabei eine marginale Rolle, man hatte ihn bereits mental verabschiedet.

1936 - Abstimmung über Abriss des alten Zeughauses

Am Ort des alten Zeughaus am Petersplatz sollte in den 30er Jahren das neue Kollegiengebäude von Roland Rohn für die Universität Basel gebaut werden. Ein bedeutsames Projekt für die Stadt und Ihre Hochschule, was vom Stimmvolk auch gewürdigt wurde. Das dafür nötige Opfer war das auf 1440 zurückgehende Zeughaus, das grösste unter den historischen Zeughäusern der Eidgenossenschaft (welches allerdings nach einem Brand 1775 weitgehend erneuert wurde).

Nebst lokalen Liebhabern setzte sich auch Eidgenössische Departement des Inneren für den Erhalt des alten Zeughauses ein. Es kam 1936 zu einer Volksabstimmung. Negativ für das Zeughaus wirkte sich die Tatsache aus, dass es vom Baudepartement fahrlässig schlecht unterhalten wurde und so einen verlotterten Anblick bot. Die Alternative war ferner der Bau eines neuen Kollegiengebäudes am Rheinsprung - unter Abriss dortiger historischer Häuser.

Die Volksabstimmung ging zu Ungunsten des alten Zeughauses aus. Es entstand das heutige Kollegiengebäude an seiner Stelle. Es war weniger der unbestritten notwendige Bau eines neuen Kollegiums der Kritik am Projekt weckte. Vielmehr war das damit verbundene Opfer Objekt des Widerwillens. Das Stimmvolk hat mit dem Abriss des historischen Zeughauses zu Gunsten des neuen Kollegiums am 12. November 1936 mit 18'437 Ja gegen 9937 Nein deutlich zugestimmt.

1949 - Abstimmung über Korrektionsplan

Um dem Verkehr mehr Raum zu geben wurde nach dem Krieg der sogenannte Korrektionsplan für Grossbasel von der Regierung lanciert, als deren Kernstück sich bis 1949 eine Hauptverkehrsader mitten durch den Grossbasler Stadtkern herauskristallisierte. Diese wäre zweispurig mit Trottoirs vom Barfüsserplatz (mit Einmündung bei der Lohnhofgasse) mit der ungefähren Linie Gerbergässlein - Rümelinsplatz - Münzgasse - Schneidergasse bis zum Blumenrain verlaufen.

Der Andreasplatz wäre stark vergrössert worden (so dass das halbe Imbergässlein verschwunden wäre) um zugleich als Parkplatz wie auch als Ersatz für den Marktplatz zu dienen. Der Marktplatz hätte indes, befreit vom Markt, als Verkehrsdrehscheibe genutzt werden sollen. Der hier auszugsweise vorgestellte Plan hätte im Stadtkern den massiven Abriss historischer Bausubstanz gefordert. Auch die alte Aeschenvorstadt sollte weitgehend abgerissen werden.

Ein Kreis junger Leute, altersmässig hauptsächlich Twens, ergriff das Referendum und bekam unter der Parole "Die Altstadt in Gefahr" über doppelt soviele Unterschriften wie notwendig zusammen. Das Basler Stimmvolk nahm aber den Korrektionsplan im Urnengang vom 12. Dezember 1949 mit 22'027 Ja gegen 15'431 Nein an. Das ambitionierte Projekt wurde trotz des Votums nur im Ansatz realisiert. Die entseelte Aeschenvorstadt zeugt noch heute davon.

abriss von haeusern in der aeschen

Folge des Korrektionsplans 1949 - Abriss mittelalterlicher Häuser in der Aeschenvorstadt (hier Hausnummer 44) 1965 zur verkehrsbedingten Verbeiterung. Eine irreversible Massnahme die sich im Nachhinein als nicht notwendig erweis.

1968 - Abstimmung über Neubau des Gerichtsgebäudes

Das 1858/59 von Johann Jakob Stehelin dem jüngeren erbaute Gerichtsgebäude an der Bäumleingasse hätte 1968 durch einen Neubau ersetzt werden sollen. Ein von Heimatschutz und Freiwilliger Denkmalpflege unterstütztes Referendum stellte sich dem Projekt entgegen. Das Abstimmungsresultat belegte klar dass das Stimmvolk nicht gewillt war diesen Eingriff im Stadtkern zu tolerieren und lehnete den Neubau am 24. November 1968 mit 34'974 Nein gegen 10'619 Ja ab.

1976 - Abstimmung über den Bau des Markthof

1968 kam das Projekt eines grossen Warenhauses für Coop Basel ACV am Marktplatz ins Gespräch. Dabei hätte es sich um einen 80 Meter messenden Block gehandelt, der den Raum zwischen Stadthausgasse und Eisengasse, zwischen Marktplatz und Fischmarkt eingenommen hätte. Das 1973 vorgestellte Vorhaben hätte dem Marktplatz ein völlig neues Gesicht gegeben. Die Marktgasse wäre aufgehoben und durch eine Tramunterführung ersetzt worden.

Gegen das gewaltige Projekt im Herzen Basels erhob sich heftiger Widerstand. Es formierte sich ein "Komitee gegen den Markthof" und 1976 wurde das Projekt in reduzierter Form vom Grossen Rat abgesegnet. Das Komitee ergreift jedoch das Referendum auch gegen das abgeänderte Projekt und kriegt in kurzer Zeit 27'000 Unterschriften zusammen. Im Rahmen der Volksabstimmung vom 27. September 1976 wird das Bauprojekt mit 39'497 Nein gegen 19'945 Ja abgelehnt.

1984/1990 - Abstimmungen über neue Wettsteinbrücke

Ein interessanter Fall war das Projekt um eine neue Wettsteinbrücke. Im Sommer 1982 beschloss die Regierung die Wettsteinbrücke durch einen Neubau zu ersetzen. Der Baukredit von 28,8 Millionen Franken wurde dem obligatorischen Referendum unterstellt und kam vors Volk. Dieses entschied sich an der Urne am 25.September 1984 mit 37'681 Nein zu 30'324 Ja gegen den Kredit und den Abriss der alten Brücke. Der Grosse Rat beschloss nun die Sanierung der Brücke.

Der Baudirektor betraute eine Expertenkommission mit der Prüfung einer Sanierung. Das Gremium prüfte zwar wie angeordnet, bezog in die Abklärungen aber auch ein Neubauprojekt ein. Die Experten kamen zum Schluss dass sich eine Sanierung der Wettsteinbrücke nicht lohne denn ein Neubau wäre stabiler. Man war also still und leise wieder beim Abriss mit Neubau angelangt. In dieser Situation tauchte dann ein alternativer Voschlag für eine Brücke auf.

Ein privater Kreis stellte ein Projekt von Santiago Calatrava vor, welches gar beim Basler Heimatschutz Gefallen fand. Das Baudepartement konnte sich mit dieser Brücke nicht anfreunden; bezweifelte ihre Stabilität. Der Baudirektor nannte sie ein Trampolin. Die Gegner der Brücke warnten dass sie zu teuer werde. In einer Abstimmung am 20Mai 1990 entschied das Volk mit 24'659 Ja zu 22'028 Nein für das Projekt der Experten (das dann teurer kam) und gegen Calatrava.



Querverweis zum Thema:

>> Das Gerichtsgebäude an der Bäumleingasse

>> Das alte Zeughaus am Petersplatz



Beitrag erstellt 20.06.07 / Korrektur Quellen 09.01.17

Quellen:

Hans Bühler, Das alte Zeughaus, Beitrag im Basler Jahrbuch 1938, herausgegeben von Ernst Jenny und Gustav Steiner, Helbing und Lichtenhahn, Basel, 1937, Seiten 31 bis 39

Uta Feldges, Die schöne Stadt war unser Ziel - zur Geschichte des Basler Heimatschutzes 1905-2005, herausgegeben vom Heimatschutz Basel, Friedrich Reinhardt Verlag, Basel, 2005, ISBN 3-7245-1410-7, Seiten 66 bis 67, 86 bis 92, 124 bis 125, 144 bis 146

H.L. Freyvogel, Basler Chronik vom 1. Oktober 1931 bis 30. September 1932, publiziert im Basler Jahrbuch 1933, herausgegeben von August Huber und Ernst Jenny, Helbing und Lichtenhahn, Basel, 1933, Seite 278

Markus Fürstenberger, Basler Chronik vom 1. September 1968 bis 31. August 1969, im Basler Stadtbuch 1970, herausgegeben von Hans Birkhäuser, Fritz Grieder, Adolf Portmann und Marc Sieber, Helbing und Lichtenhahn, Basel, 1969, Seite 271

Carl Hildebrand, Die Zeughäuser in der Schweiz, herausgegeben vom Verband der Schweizerischen Zeughaus- und Armeemotorfahrzeugpark-Verwalter, Kriegsmaterialverwaltung, Bern, 1993, Seiten 92 bis 95

Dorothee Huber, Architekturführer Basel, 1996, herausgegeben vom Architekturmuseum in Basel, Basel, 1996 (2. Auflage), ISBN 3-905065-22-3, Seiten 271 und 300 bis 302

Heinz Kreis, Chronik 1984, publiziert im Basler Stadtbuch 1984, herausgegeben von der Christoph Merian Stiftung, Christoph Merian Verlag, Basel, 1985, ISBN 3 85616021 3, Seite 275

Eugen Anton Meier, Basel Einst und Jetzt, Buchverlag Basler Zeitung, Basel, 1995 (3. Auflage), ISBN 3-85815-266-3, Seite 222 bis 223

Hans Peter Muster, Chronik 1990, publiziert im Basler Stadtbuch 1990, herausgegeben von der Christoph Merian Stiftung, Christoph Merian Verlag, Basel, 1991, ISBN 3 85616041 8, Seite 234

engel

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